Trauer um Theo
Trauerrede
von Cornelia Lenhardt, Beerdigungsbeauftragte der Seelsorgeeinheit Überlingen, zur Beisetzung am 25. Juni 2021 um 14 Uhr auf dem Friedhof in Überlingen.
Liebe Carolin, liebe Frau Günzel,
liebe Christine, liebe Angehörige,
liebe Freunde und Chorsänger,
der eben gehörte biblische Text beschreibt den Gang der beiden Jünger nach Emmaus. Es rührt an und bewegt, wenn Menschen sich auf den Weg machen. Auch sie haben sich heute Nachmittag zu diesem Friedhof aufgemacht, um Theo Waibel auf seinem letzten Weg das Geleit zu geben. Die meisten von Ihnen haben Theo ein kleineres oder größeres Stück in seinem Leben begleitet.
Am 9. Juli hätte Theo den 65. Geburtstag feiern können. Er wurde 1956 als erster von fünf Buben hier in Überlingen geboren. Von seinen Eltern geliebt und behütet ist er in dem Haus aufgewachsen, in das er nach seinem Tod zum Abschied zurückgekehrt ist.
Nach Schulzeit und Abitur und Bundeswehrdienst studierte Theo an der Uni Konstanz Mathematik und Physik für das Lehramt, hielt sich ein Vierteljahr auf einer Missionsstation in Tansania auf und gab danach das naturwissenschaftliche Studium zugunsten eines Magisterstudiums in Englisch auf und arbeitete in London an der Bar im Hotel Savoy.
1992 wurde seine Tochter Carolin geboren. Es folgte eine Zeit in München. 1997 lernte er Christine kennen und lieben. Nach einer Zwischenstation mit Hausaufgabenbetreuung im katholischen Internat St. Fidelis in Sigmaringen bis zu dessen Auflösung, war Theo seit 2004 als Nachtportier im Überlinger Bad Hotel angestellt.
Sein großes Hobby oder - besser seine große Leidenschaft war die Musik. Das Singen, das Chorsingen, seit mehr als 50 Jahren. Hier sind viele mit ihm ein Stück des Weges gegangen. Theo begann bei den Sängerknaben, wechselte in den Münsterchor und sang in vielen weiteren Chören und kleinen Ensembles mit. Seine zuverlässige und sichere Tenorstimme war überall gefragt und gerne gehört. Ich erinnere mich, dass er donnerstags immer später in die Münsterchorprobe kam, da an diesem Abend auch der Madrigalchor Probe hatte. Chöre sind nicht so üppig mit Tenor-stimmen besetzt und so ging jedes Mal ein erleichtertes Seufzen durch den Probenraum, wenn Theo die Türe öffnete - endlich war er da und jetzt klappte es auf jeden Fall im Tenor.
Das meiste des Chorrepertoires sang er auswendig. Das führte dann in einer Konzertprobe zu folgender Szene: Melanie zu Theo: "Ich weiß, dass du das Weihnachtsoratorium auswendig kannst! Aber bitte, tu wenigstens so als würdest du aus den Noten singen. Du bist der einzige, der ständig nach vorne schaut, alle anderen haben ihre Köpfe in den Noten".
Musik verbindet, tröstet, heilt, schafft Begegnung, trägt im Glauben, knüpft Beziehungen. Durch das Chorsingen lernte Theo auch Dorothee, die Mutter seiner Tochter Carolin und seine Partnerin Christine kennen. Auch in der musikalischen Gestaltung der heutigen Trauerfeier mit Bestattung und des Seelenamtes am kommenden Sonntag kommt die große Wertschätzung für Theo zum Ausdruck.
Das Überlinger Münster war "seine" Kirche. Sein Ort, um in der Stille innezuhalten. Und … eine weitere Leidenschaft …. das Gesungene aufzunehmen. Selbstkonstruierte und ausgeklügelte Vorrichtungen brachten die Mikrofone auf die ideale Aufnahmehöhe und wurden selbstverständlich wieder zerlegt mit dem Fahrrad transportiert.
Radfahren! Ich kenne Theo nur mit und auf dem Rad. Egal ob es der Arbeitsweg ins Bad Hotel war oder zu den Chorwochenenden auf den Hersberg oder zu Dekanatschortreffen irgendwo im Linzgau - Theo kam mit dem Rad. Selbst weite Wege scheute er nicht. Fahrradtouren führten ihn nach Filetto in den Abruzzen und über Rom und Innsbruck wieder zurück. Übrigens legte Theo die Strecke Innsbruck - Überlingen an einem Tag zurück, so wie auch oft die Strecke München - Überlingen. Die Brüder waren mit ihm nach dem Mauerfall in Ostdeutschland und in Paris, natürlich mit dem Fahrrad. Er hielt auch Kontakt zu Verwandten, Freunden und außergewöhnlichen Menschen, indem er sie mit dem Fahrrad besuchte und plötzlich vor der Tür stand.
So hat Theo viele Wegstrecken zurückgelegt und Begegnungen erfahren, ob bei seinen Fahrradreisen oder in den Chören, in seinen Nacht-diensten, mit Freunden, mit seiner Familie. Immer freundlich, gut gelaunt, ruhig, verschmitzt und mit einer Portion Schalk.
2019 erhielt Theo die Diagnose der Krebserkrankung. Er hat gekämpft und nun doch verloren. Am 14. März, dem vierten Fastensonntag sang er zum letzten Mal im kleinen Ensemble im Münster mit.
Aber so wie die Emmausjünger durch die Begegnung mit Jesus wieder Hoffnung fassten, so bleiben uns die Begegnungen und Wegstrecken mit Theo. Und wir dürfen gewiss sein, dass wir uns wiedersehen. Denn der Tod hat in unserem Leben nicht das letzte Wort und wird es niemals haben. In Christus ist die Auferstehung und das neue ewige Leben. Die Verstorbenen sind bei Gott; mit Gott sind sie mit uns und mit dieser Welt verbunden. Sie sind nicht einfach weggegangen und verschwunden. Weil sie in Gott geborgen sind, können sie auch bleibend in unseren Herzen geborgen sein.
Amen.
Bilder: Privatarchiv