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Trauer um 'Oma Überlingen'



Trauerrede

von Cornelia Lenhardt, Beerdigungsbeauftragte der Seelsorgeeinheit Überlingen, zur Beerdigung am 4. Dezember 2020 um 11 Uhr auf dem Friedhof in Überlingen.


Liebe Angehörige der verstorbenen Anni Waibel,

es waren keine leichten Wochen, weder für Anni, noch für sie, liebe Trauernde. Eine Pflege zuhause war nicht mehr möglich und so fand Anni in den letzten fünf Wochen ihres Lebens Aufnahme in einem Pflegeheim in Owingen. Dort ist sie am Freitagabend eingeschlafen um dann noch einmal nach Überlingen, in ihr Zuhause zurückzukehren. Und so konnten sie in aller Ruhe und in der vertrauten Umgebung von ihr Abschied nehmen - in Annis Zuhause seit mehr als 8 Jahrzehnten.

Anni Waibel, geborene Fischer wurde 1933 hier in dieser Gegend, in Laimbach als sechstes Kind geboren. Sie und ihre fünf Geschwister im Alter von ein bis elf Jahren verloren beide Elternteile sehr früh innerhalb von drei Jahren. Anni und ihre Geschwister wurden auseinandergerissen und an verschiedenen Orten und Familien untergebracht. Anni kam nach Überlingen zum kinderlosen Ehepaar Stefan, die sie 1940 adoptierten. Hier war sie gewollt und geliebt, ihr Stiefvater hat mit ihr gesungen, ist mir ihr Schlitten und Fahrrad gefahren und zusammen mit seiner Frau haben sie den Kontakt zu Annis Verwandten wiederhergestellt.

Ihren zukünftigen Mann Ernst lernte sie 1951 auf einer Ausflugsfahrt zum Säntis kennen. Und rein zufällig trafen sie sich in Überlingen wieder, als Ernst mit seinem Motorrad nach Nesselwangen unterwegs war. Sie haben sich verliebt, verlobt und 1955 geheiratet. 1956 bist du, Theo, zur Welt gekommen, 1958 folgte Bernd, 1961 Andreas, 1963 Martin und 1972 Wolfgang. So war es von ihr und ihrem Ernst gewollt, fünf Kinder sollten es sein.

Und so war es immer für Anni gewesen: die Familie war und blieb ihr Mittelpunkt. Sie absolvierte nach der Volksschule die 2jährige landwirtschaftliche Winterschule auf dem Rauenstein und eine Hauswirtschafts- und Nähschule. Kochen und Backen waren ihre Leidenschaft, sie bewirtschaftete ihren Garten, nähte für ihre Familie und war rund um die Uhr beschäftigt. In dieser großen Familie gab es immer genug zu tun. Mit eisernem Willen und Disziplin bewältigte sie in den letzten Jahren ihren Alltag. Als junges Mädchen engagierte sie sich in der Pfarrgemeinde. Schon mit 13 Jahren sammelte sie ehrenamtlich die Beiträge für den Krankenverein in Überlingen, dem Vorläufer der Sozialstation und anderen Vereinen ein. Jahrzehntelang war sie ehrenamtliche Caritashelferin, begleitete Kindergruppen in die Ferien an die Nordsee und kochte auf dem Ministrantenlager. Anni war treues Mitglied des Überlinger Trachtenbundes und nähte ihre Tracht natürlich selber.

Immer wieder kämpfte sie mit gesundheitlichen Problemen. Ein schwerer Schlag war der Tod ihres geliebten Mannes im Jahr 2007. 52 Jahre waren sie verheiratet gewesen. Neben der Familie gehörte ihre gemeinsame Liebe der Musik. Sie besuchten nach Möglichkeit alle Konzerte, bei denen ihre Söhne mitwirkten. Auch Orgelmusik liebte sie, hat ihr Mann doch als gelernter Schreiner und Orgelbauer an der großen Münsterorgel mitgebaut.

Und über die Musik habe ich ihre Mutter auch kennengelernt: als sichere Sängerin, die gerne in die zweite Stimme einfiel und alle Strophen eines Liedes auswendig sang. Deshalb habe ich mich in der Singstunde im Seniorenkreis St. Nikolaus immer sehr gerne neben sie gesetzt. Eine ruhige freundliche und liebenswerte Frau, sehr naturverbunden und tierlieb. Bis zuletzt versorgte sie ihren Garten und Meerschweinchen. Anni und ihr Mann liebten ihre Enkelkinder, die ab 1991 in ihr Leben traten und beschäftigten sich gern mit ihnen.

Bis zum Schluss rang Anni um ihre Selbständigkeit und duldete keine Bevormundung. Diese Willensstärke machte es für sie, liebe Angehörige, in den letzten Wochen nicht leicht. Und doch haben sie ihrer Mutter, Schwiegermutter und Oma in den letzten Wochen ihres Lebens das Bestmögliche gegeben und so konnte sie doch ihr Schicksal annehmen, war dankbar und zufrieden. Sie zeigten mir ein kleines Video von einem der letzten Ausflüge an einem Sonntagnachmittag Mitte November. Da sprach Anni: „Ich sag für mich selber, hams mir doch schön!"

Ihr Glaube war ihr wichtig und gab ihr Halt. Und so soll es uns Trost sein, dass sie jetzt zu ihrem Schöpfer zurückgekehrt ist. Wie wir in der Lesung hörten: „Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit: eine Zeit zum Gebären und eine Zeit zum Sterben …." Und so ist heute, in dieser Adventszeit, die Zeit des Abschieds gekommen. In der Adventszeit gehen wir auf Weihnachten zu. Wir feiern die Menschwerdung Gottes. Und so ergeht auch die Einladung der Menschwerdung an uns. Mensch zu werden, indem wir einander, auch in diesen schwierigen Zeiten, liebevolle Lebensbejahung und liebende Sorge den bedürftigen Menschen schenken. Wenn wir jetzt die Verstorbene in die Erde legen, ist es nur ihr Körper. Ihre Seele ist und bleibt dort lebendig, wo Beziehungen des Vertrauens und der Wertschätzung gewachsen sind, wo zu ihren Lebzeiten Aufmerksamkeit, Sorge und Liebe geflossen sind.

Amen.



Bilder: Privatarchiv